Annique Göttler ist klassische Konzertpianistin, hat 2023 ihr Konzertexamen mit Auszeichnung an der HMDK Stuttgart abgeschlossen und auf Instagram mittlerweile mehr als 120.000 Follower. Für unseren Tonkünstlerblog hat sie einen Beitrag über ihre Sicht auf Social Media Plattformen und deren Relevanz für Musiker und Künstler verfasst.
Klassische Musik und Social Media?
von Annique Göttler
„Klassische Musik ist nur was für alte Menschen“ –seit ich anfing im Alter von 5 Jahren Klavier zu spielen habe ich solche Sätze oft zu hören bekommen. Und wenn man in die Konzertsäle schaut, wird diese Aussage leider auch fast immer bestätigt. Schon seit vielen Jahren beklagen sich sowohl Musiker als auch Veranstalter über einen Rückgang und eine Überalterung des Publikums.
Dass nur wenige junge Menschen klassische Musik hören, liegt aber nicht an mangelndem Interesse, sondern daran, dass wir sie nicht dort abholen, wo sie sich heutzutage aufhalten und vernetzen: auf Social Media.
Wenn ich heute etwas über ein Thema oder eine Person herausfinden oder einfach nur etwas Neues entdecken möchte, führt mich mein erster Schritt, wie bei den meisten, ins Internet. Einen Instagram Kanal und eine Website zu besitzen, ist die heutige Art einer Visitenkarte.
Das Internet bietet schier unendlich viele Chancen und Freiheiten, denn jeder kann sich kostenlos auf Social Media einem breiten Publikum präsentieren – man könnte es auch als größte Bühne der Welt bezeichnen. Gleichzeitig sind die Plattformen bereits gefüllt mit mehreren Millionen Content Creatorn. Es herrscht eine große Konkurrenz hier, weswegen sich viele erst gar nicht trauen, überhaupt „anzutreten“.
Allerdings besteht diese Konkurrenz ohnehin, denn bei dem riesigen Angebot an Unterhaltung müssen sich die Menschen heute zwischen einem Konzertabend oder Netflix zu Hause auf dem Sofa entscheiden. Wer diese Entscheidung gewinnt, wird darüber bestimmt, wer am Ende mehr Aufmerksamkeit und Interesse auf sich ziehen konnte. Jeder, der nicht auf Social Media vertreten ist, hat damit deutlich schlechtere Chancen und fast schon von vornherein verloren.
Um bei all dem bereits vorhandenen Content hervorzustechen, ist Kreativität und Durchhaltevermögen gefragt. Damit ist viel Arbeit verbunden, welche sich aber aus eigener Erfahrung durchaus lohnt. Mittlerweile folgen über 120.000 Menschen weltweit meinem Instagram Kanal „@anniquegoettler“ und über 240.000 meinem YouTube Kanal „Heart of the Keys“, auf welchem ich immer wieder zeige, wie es hinter den Kulissen und im Alltag einer klassischen Konzertpianistin aussieht.
Dass meine Konzerte mittlerweile überwiegend mit jungem Publikum gefüllt sind, verdanke ich vor allem meiner Präsenz auf Social Media. Viele der Konzertbesucher gehen das erste Mal auf ein klassisches Konzert und während ich in der Vergangenheit oft Eltern gesehen habe, die ihre Kinder mit ins Konzert schleifen, in der Hoffnung, sie würden Interesse daran finden, so sehe ich heute genau das Gegenteil: Junge Menschen, die ihre Eltern mit ins klassische Konzert schleifen, weil sie bereits von sich aus davon begeistert sind.
Social Media bringt also viel Potenzial mit – es liegt nun an uns, dieses auch zu nutzen.